Heilsprache - Am Anfang war das Wort
Zauber und Magie der Sprache
Das wichtigste Mittel zwischenmenschlicher Verständigung ist die Sprache. Sie ist Ausdruck unserer inneren Vorgänge, Spiegel unseres Erlebens und Denkens. Sprache kann verschleiern, einem geschulten Therapeuten enthüllt sie jedoch die Welt der Wahrnehmungssysteme, Denkmodelle und damit die Art der Wahlmöglichkeiten seines Patienten.
Die magische Basis therapeutischen Handelns
Eine Möglichkeit uns mitzuteilen ist über die Zeichensprache unseres Körpers, der, ohne dass wir bewusst davon wissen, sich andauernd und unermüdlich der Umwelt über Zeichen von Zustimmung und Ablehnung mitteilt.
Die amerikanischen Wissenschaftler Richard Bandler, Gestaltpsychologe und Computer Fachmann, und John Grinder, Linguist, bemühten sich Anfang der 70er Jahre, eine - hinter besonders erfolgreichem therapeutischen Handeln stehende - gemeinsame Struktur zu finden. für ihre Untersuchungen wählten sie den berühmten Hypnosetherapeuten Milton Erickson, Fritz Perls, der Begründer der Gestalt Therapie und die Familientherapeutin Virginia Satir. vor dem theoretischen Hintergrund der Transformationsgrammatik fanden sie die übergreifende "magische Basis" und nannten sie NLP - Neurolinguistisches Programmieren.
Jede Behandlung setzt Erkennen und Verständnis voraus.
Die gemeinsame magische Basisstruktur, an der NLP ansetzt, ist das System der Sprache mit ihren Regeln, die jeder intuitiv beherrscht. Wie wir fühlen und erleben wird vom Verhältnis unserer Sinne zueinander bestimmt. Sehen, Hören und körperliches Empfinden sind nie gleich stark ausgeprägt, meist tritt eines stark in den Vordergrund. Mit ihrer Intensität ändert sich unsere Sicht der Welt.
NLP spricht von visuellen, auditiven und kinästhetischen Repräsentationssystemen. Bereits die Wortwahl kennzeichnet unser vorherrschendes Wahrnehmungssystem. Beispielsweise zeigt mein oben gewähltes Sprachbild "Sicht der Welt" das Überwiegen bildhafter Vorstellungen. Genauso gut hätte ich dafür "Empfinden der Welt" einsetzen können! So äußert Sprache unser Inneres. Sprache ist Information. Doch Sprache wird erst zur Kommunikation, wenn Gesprächspartner dieselbe Basis besitzen, diese intuitiv wählen oder sich darauf einigen. Viele zwischenmenschlichen Schwierigkeiten sind Kommunikationsprobleme, wahre und unbewusste Missverständnisse. Hund und Katze missverstehen einander nicht durch angeborene Antipathie, sondern durch "Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten".
Unsere eigene Sprache kann dem Anderen gegenüber zur Fremdsprache werden, wenn dieser Probleme "sieht", "schwarzsieht" und keinen Weg "erkennen" kann und der Andere ihm versichert, dass er diese Schwierigkeiten "spürt", ihn "begreift" und mit ihm "fühlt". Der Eine mag noch so "fest" sein Verständnis beteuern, dem andern wird nur "klar und klarer" werden, dass er völlig missverstanden ist.
Und wo der Visuelle sich nach Beistand "umsieht'', "ruft" der Auditive, "laut" um Hilfe. Wieviel wirklich nutzloses Leid ließe sich vermeiden, setzte die Erkenntnis ein, dass das "aneinander vorbeireden" begründet ist im Aufeinandertreffen verschiedener Begriffssysteme und unterschiedlichem sinnlichen Erleben.
Doch die Arbeit eines Psychotherapeuten sollte sich nicht darin erschöpfen, falsches Verstehen richtigzustellen. Sein Bestreben sollte darin liegen, mehr Möglichkeiten der Wahrnehmung zu eröffnen, die Denkmodelle seiner Patienten zu verändern und die Grenzen des Handelns zu erweitern.
Die Sprache eröffnet durch ihre universelle Vielfalt den Zugang dazu, weil sie - als gemeinsamer Nenner jeder Wahrnehmung und jedes Gedankens - sich wie sonst nichts Vergleichbares dafür eignet therapeutisch zu wirken.
Um die Sprache nicht nur oberflächlich wirken, sondern sie bis in die Tiefenstrukturen des Unbewussten eindringen zu lassen, arbeitet NLP mit einer Fülle verschiedener Strategien.
Prinzip jeder psychischen Veränderung ist es, dem Patienten zu helfen, die dafür nötige Energie in sich selbst zu aktivieren. Eine grundlegende Methode dazu stellt das Erweitern und Ausdehnen des Erlebnisvermögens auf ganzheitliche Sinneserlebnisse dar, um sogenannte Ressourcen zu erschließen. Das sind Bereiche und Quellen voll positiver Kraft, die dem Bewusstsein in den meisten Fällen nicht zugänglichsind.
Die Modelle der Welt, wie wir sie erleben, sind durch unsere Erfahrungen geprägt und oft in neuen Situationen nicht mehr angebracht, hemmen und schränken ein statt zu helfen. Um diese an die veränderten Gegebenheiten anzupassen,bedient sich NLP auch der Metapher, deren sinnbildliche Gestaltes vermag, die Denkmodelle auf verschiedenen Ebenen umzudeuten. Bedenkt man diese Möglichkeiten der Sprache, deren Zauber und Magie, eröffnet sich ihre schöpferische Kraft: Am Anfang war das Wort.
© Dr. Andreas Oberhofer, Tiroler Tageszeitung, 13.12.1986