Identität - Verkennung und Verwechslung
Ich bin nicht Ich - sondern Du
Die Verkennung ist schon vom Wort her ein gewaltiges Ding. Das Wort selbst ist vielen schon fast so unbekannt wie das "Selbst". Die Silbe "Ver-" lüftet schon ein wenig das Geheimnis und lässt entdecken, dass das "Kennen" ver-loren gegangen ist.
Wenn man sich nicht mehr kennt und nicht mehr wahrlich von sich sagen kann: "Das bin ich!" dann lebt man eventuell in einer inneren Verwechslung und Verkennung. Wer sich selbst nicht mehr wirklich "wahr"nehmen kann, lebt in einer "Falsch"nehmung, einer Verkennung.
Illusion und Delusion
Es hat viele Jahre gedauert, bis ich den feinen Unterschied zwischen Illusion und Delusion verstanden habe. In den englischen Original Schriften wird häufig das Wort Delusion verwendet.
Eine Illusion ist einfach eine Täuschung. Es kann ein falsch interpretierter Sinneseindruck sein, eine Halluzination, eine Fata Morgana der Sinne.
Das falsche Dafür halten
Eine Verkennung jedoch ist etwas Falsches für wahr halten, ein Vertauschen, ein Verwechseln.
Wenn ein Vater sich im Liebeskummer seines Sohnes selbst in einer ähnlichen Situation seiner eigenen Vergangenheit wiederfindet und nicht nur mitleidet, sondern sich emotional mit seinem Sohn verwechselt und an seinen eigenen alten Gefühlen leidet und an einer Depression erkrankt, an einem übernommenen Liebenskummer, dass ist das eine Verkennung, eine Delusion.
Erleben ist Wahrheit
Wenn ein Patient in einer Delusion lebt, in einer Verkennung, dann empfindet er dieses Erleben als Wahrheit. Er lebt und erlebt als ein Anderer oder als er selbst zu einer früheren Zeit. Er lebt nicht mehr als er selbst im Hier und Jetzt.
Leidübertragung der Mutter
Die im Blog angesprochene Patientin, ich wiederhole hier die Kurzgeschichte:
Eine Patientin kommt zu mir, weil es ihr immer schlecht geht, wenn es ihrem Bruder schlecht geht. Sie leidet über die Maßen mit ihm. Einerseits sollte sie ihm helfen, was aus vielen realen Gründen aber nicht wirklich funktionieren kann, andererseits weiß sie, dass sie am Ende doch zum "Handkuss" kommen und die Bürde übernehmen wird.
Es ist eine unheilvolle Kombination aus Helfersyndrom - nochmals verstärkt durch Familienbande - und zurückgehaltener Wut aus Hilflosigkeit nichts tun zu können.
Die verdrängte Wut führt zum Mittel
Die verdrängte Wut und die Hilflosigkeit führen zusammen mit anderen Symptomen zu dem richtigen Arzneimittel:
Delphinium staphisagria. Nach der Einnahme erlebt die Patientin einen Klartraum:
Sie kommt im Traum in meine Praxis und meldet sich mit dem Namen ihrer Mutter an und im Traum kommt die Erkenntnis, die sie in das Wachbewusstsein mitnimmt: "Nein, ich heiße gar nicht so!" Das bin nicht ich und spürt und empfindet es wie einen Stich: "Ich möchte es loshaben."
Das Mittel hat mir eine Grenze gezeigt
Das sagt die Patientin mit diesen Worten. sie kann sich aus der Verkennung, aus ihrer Delusion lösen und ist einen Schritt ihrer eigenen Wahrheit näher.
Die psychosomatische Ebene
Die Hilflosigkeit und die unterdrückte Wut können wie auch hier in ein hyperkinetisches Herzsyndrom und eine Grenzwerthypertonie führen.
Wird die emotionale Ebene wieder gesund gelebt, werden viele emotional gesteuerte psychosomatische Beschwerden leichter einer Behandlung zugänglich oder verschwinden "wie von selbst".